Austausch allgemein » Warum machen wir überhaupt Kunst???

Liebe Leute,

eine sehr wichtige Frage tut sich auf. Nein, sie tut sich nicht auf, sie war immer schon in meinem Kopf:

was ist denn genau die Motivation, warum wir künstlerisch tätig werden?

Geht es darum, dass wir uns selber damit Freude schaffen, selbst verwirklichen, heil werden?
Oder geht es darum, uns anderen mitzuteilen, mit unserer Kunst anderen zu gefallen, von der Umwelt für
das, was wir tun anerkannt zu werden?

Haben wir "Erfolg" oder "Mißerfolg", wenn keiner Notiz von uns nimmt oder wenn wir € 200.000 für ein Bild
erhalten?

Gerhard Richter ist gestern 80 Jahre alt geworden. Ihm sind die Unsummen für seine Bilder äußerst suspekt,
sagte er in einem Interview.

Manchmal sage ich mir, ich schreibe meinen Roman nur für mich, manchmal denke ich: wäre doch schön, ihn
auch verkaufen zu können. Oder Lob von Lesern zu bekommen.
Das eine schließt das andere ja nicht aus. Man kann viel Spaß mit seiner Kunst haben und sie gefällt anderen.

Aber was ist, wenn das nicht so ist? Müssen wir uns "ändern", andere Kunst machen, müssen wir dem Geschmack
der anderen hinterher rennen? Nein, das müssen wir nicht, wenn wir nicht wollen. Klar.

Aber tut uns die Isolation, die wir dann vielleicht erleben, gut?

Wie seht Ihr das?

Euer Glove!

Hallo Glove,

Spannende Fragen tust du da auf. Antworten hab ich keine .
Manchmal denk ich, dass die Kunst, die ich machen könnte, der Welt ja bisher nicht zu fehlen scheint. Niemand vermisst meine noch ungeschriebenen Kurzgeschichten, meine nicht gehaltenen Reden, meine nicht existierenden Zirkusnummern usw.
Aber genau so war es mit allen großen Schriftstellern, Erfindungen, Komikern, Musikern, Sportlern: niemand vermisste sie, bevor sie da waren. Und doch haben sie so viele zum Staunen, Lachen, Genießen gebracht.
Also kein Argument, um nicht zu tun, was ich gern tun will.

Ich erinnere mich gerade an etwas. *im-Netz-such* Gefunden:

Zitat

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Arbeitet, als würdet ihr kein Geld brauchen,
Liebt, als hätte euch noch nie jemand verletzt,
Tanzt, als würde keiner hinschauen,
Singt, als würde keiner zuhören,
Lebt, als wäre das Paradies auf der Erde.

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Lieber Gruß
Maira

Ich glaube, Kunst schaffen hat viel mit Sinnsuche und Selbstsuche zu tun. Ich zumindest sehe immer Teile von mir in meinen Arbeiten, die ich vorher nicht kannte. Das hat für mich was von ganz-werden. In meinen Geschichten kann ich ganz frei schreiben, was meine Figuren tolles erleben. Und danach überleg ich dann, ob ich das nicht auch mal versuchen will. Meist will ich und mach es auch. So ist das mit mir und der Motivation.

Ich mag Dein Zitat, Maira . Wenn ich tanze, als würde es keiner sehen...Ich seh dann aus wie ne Bratwurst mit Epilepsieanfall...

@Thalila + Maira

danke für Eure tollen Antworten. Ich fühle mich bestärkt! :-)

Seit ich den Roman angefangen habe, also am 01.01.12, bin ich nicht unter Druck.
Ich will nur schreiben. Ich habe den Eindruck - vielleicht belüge ich mich aber selber - dass ich gar keine Ambitionen habe,
außer eben der, den Roman zuende schreiben zu wollen, ohne das Gefühl zu haben: das ist keine runde Sache, das ist Stückwerk.

Sicher werde ich den Roman nicht in die Schublade legen, sondern ihn einigen Leuten geben. Sie müssen ja zumindest am Anfang
das Interesse haben, überhaupt einige Stunden Zeit zu investieren, das Buch zu lesen. (naja, eher das Manuskript)

Wenn alle sagen, toll, was für ein Buch, werde ich mich darüber sicherlich nicht ärgern. ;-)
Wenn aber alle fünf Leute sagen würden, sorry, netter Versuch, aber ab Seite 67 hab ich´s nicht mehr weitergelesen...
was würde ich dann machen? Postwendend mit der Arbeit am zweiten (Mach-)werk beginnen?

Klar, alles Theorie! Warum darüber überhaupt nachdenken?
Trotzdem: diese Frage bewegt mich schon etwas, da bin ich ehrlich...
Früher hat sie mich immerhin so bewegt, dass ich gar nicht den Stift in die Hand genommen habe!

VLG
G

Sicher wäre es nicht schön, zu hören, dass 5 Leute Dein Buch doof finden. Aber ich kenne mindestens 5 Leute, die Texte von Brecht doof finden. Ich zum Beispiel.

Nur, weil "die Masse" etwas mag, ist es nicht gut (Dieter Bohlen). Und nur, weil "die Masse" etwas nicht mag, ist es nicht schlecht (Schokolade mit Basilikum).

Du wirst mit Sicherheit Menschen finden, die Dein Buch mögen. Es gibt immer jemanden, der auf Deiner Wellenlänge schwingt.

Du hast recht.

hallo glove,

die frage habe ich mir noch nie gestellt. ich male, weil es mir freude macht und sehr entspannend ist. oft denke ich "wo kommt das denn alles her, was ich da fabriziere".
manche bilder sind zum genesen. z.b. bei meiner collage "vergangenheit". dieser frauenkopf bin ich mit 16. es ist eine spiegelung in einem fenster wo der regen gegenplatscht. allerdings am computer verfremdet. dieses foto hatte mein ex gemacht und es war mir immer sehr wichtig. durch die verarbeitung zu einer collage habe ich abstand gewonnen. der text in der flasche "guten morgen, meine schöne" ist mir wichtiger den je.
ich habe einige meiner pastellbilder verkaufen können. es hat mich gefreut, so konnte ich wieder neues material kaufen.
von meinen neuesten acrylbildern könnte ich mich noch nicht trennen. es gibt so 2-3 stück, da wird mir richtig übel, wenn ich dran denke, sie verkaufen zu können.
ich denke, es ist kein mißerfolg, wenn ich keine bilder verkaufe. ich bin noch nicht soweit, das ich damit an die öffentlichkeit gehe. ich fühle mich nicht isoliert, nur weil ich vielleicht anders male, als das was gerade gefragt ist.

malerei

Warum betätige ich mich kreativ? - Kunst nenne ich es mal lieber nicht.....;-)
Ich "teile mit" , kommuniziere, - vor allem bei meinem jahrelangen Fotografieren, aber auch beim Schreiben.....einmal durch die Motive, Inhalte, aber durch das gemeinsame Betrachten der Fotografien, bzw. Lesen meiner Werke und: ich kommuniziere mit dem Objekt selbst, lerne es näher kennen, seine Aussagen, Möglichkeiten....
Es hat viel mit mir zu tun und befriedigt mich und ich "teile" mit anderen Menschen.

Ich glaube, das ist wie beim Sex: In erster Linie, weils Spaß macht. Und nebenbei dient es vielleicht einem höheren Zweck (im ersten Falle: Fortpflanzung, Arterhaltung,...)
Jetzt mal ernst: In meinem Fall ist das tatsächlich so, meine Motivation ist absolut intrinsisch. Kreativ sein als Selbstzweck. Das ist für mich ein selbstverständliches Bedürfnis, etwas zu erschaffen und zu kreeiren, das ich befriedigen muss. Das schließt für mich allerdings absolut nicht aus, dass ich es vielleicht für ein Publikum tue und vielleicht sogar Geld damit verdienen möchte. Und auch nicht, dass ich mir Gedanken darüber mache, wie meine Sachen bei anderen ankommen.

Ein bisschen bringt mich diese Frage immer auf den Gedanken: Selbstverwirklichung ODER Verkaufen? Und das ist Quatsch, glaube ich. Ich denke, wenn man zu 100 % sein Ding macht und wirklich dahinter steht, dann wird man damit auch irgendwie erfolgreich sein. Allerdings habe ich oft den Eindruck, dass Erfolg vielen Menschen und besonders Künstlern doch irgendwie suspekt ist (siehe G. Richter). Natürlich sind diese Unsummen, die für bekannte Künstler ausgegeben werden, fragwürdig. Aber das sind ja nur wenige hochgepushte große Stars. Nur 1/4 aller Künstler kann angeblich ausschließlich von der Kunst leben ( http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaf...,514309,00.html ), zumindest war das vor 5 Jahren so... Und es gehört auch irgendwie zum Künstlerklischee, dass der Kulturschafffende stets pleite ist. Aber 1/4 sind immerhin 25 %, das sind mehr als die paar Superstars. Vielleicht muss man weg von dieser Vorstellung: Entweder pleite oder superreich. Ich glaube, Künstler müssen mehr Geld verlangen.

Danke, Ihr Lieben!
Eure Antworten geben mir das Gefühl, auf dem richtigen Weg sein!
VLG
G

@Sophia
viele interessante Themen... Eros und Kunst, Schaffenskraft durch Triebsublimation. Erfolg in der Kunst suspekt.

Das Klischee, Kunstschaffende seien immer pleite, ist - für mich - überholt. Viele Leute sind immer pleite, also auch Künstler.
Ich kenne ja ne Menge Künstler, die sind weder reich noch arm. Irgendwo ganz normal. Die leben aber fast nie alleine von dem,
was die Kunst abwirft. Die machen ihre Kunst nebenbei oder haben einen Partner, der das Geld ranbringt. Ganz einfach.

Wenn man als Künstler reich werden will, muss man in ner Tanzband auf der Kirmes spielen. Oder Karnevalsmusik machen.
Die machen richtig Kohle, ohne Witz.
Wenn man als Künstler Geld verdienen will, muss man sich selber gut vermarkten können. Die Betonung liegt auf SELBER
Sonst macht Dein Manager die Kohle. Selber Beziehungen aufbauen und dann die "richtigen" Leute kennen.

LG
G

Fiel mir noch ein, ein interessanter Artikel von Mihaly Csikszentmihalyi über kreative Menschen (Mit solch einem Nachnamen würde ich auch wissenschaftlich dem Ursprung der Kreativität auf den Grund gehen!) : http://www.psychologytoday.com/articles/...ive-personality

Ja, ich glaube auch, dass man sich selber gut vermarkten können muss. Generell bin ich bin da ambivalent. Ob ich es kann, liegt daran, ob ich gerade extrovertiert oder introvertiert drauf bin (Siehe Seite 2 bei Csikszentmihalyi! ). Und beim Thema Kunst gibt es bei mir natürlich noch diverse Blockaden. Aber ich denke mir gerade sowieso: Immer schön der Reihe nach, ich habe jetzt seit 4 Wochen wieder angefangen zu malen und muss nicht morgen im Louvre ausstellen... Erstmal will ich mich weiterentwickeln, besser werden, mehr "produzieren". KVP sag´ ich nur, haha, das ist bei uns so ein geflügeltes Wort im Büro: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Man nehme einen selbstverständlichen Vorgang, umschreibe ihn umständlich und mache dann eine Abkürzung daraus. Schwupps, hat man gleich das Gefühl, an hochwichtigen Geschehnissen teilzuhaben! Das ist EKPN, eine kollektive Profilneurose, oder aber: eigentlich kompletter, peinlicher Nonsens... Ich muss doch ins Louvre, ich halts im Büro nicht mehr aus!

Hallo Glove,

"Wozu Kunst?!",

diese Frage wird ja im kreativen Prozess andauernd gestellt und ich hätte nicht gedacht, ihr noch einmal neue Aspekte abgewinnen zu können ... habe ich aber doch!

Auslöser war deine Frage:
"Aber tut uns die Isolation, die wir dann vielleicht erleben, gut?"

Das klingt für mich so, als würdest du 1.) Isolation als Folge eines publikumslosen Kunstschaffens voraussetzen und 2.) annehmen, dass materiell erfolgreiche Künstler nicht auch Isolation erleben dürften ;-)

Beides stelle ich infrage, ersteres aus eigener Erfahrung.
U.a. kann es sehr befreiend wirkend, erst mal ohne Publikum(sreaktion) ein bisschen herum zu experimentieren. Die Bühne für ein gelungenes Werk findet sich erfahrungsgemäß mit der Zeit wie von selbst.
Und: Manche Kunst entsteht bei mir wirklich ausschließlich für mich.
Gerade fällt mir dazu der Vergleich mit einer Tänzerin ein. Stellt euch vor, sie übt und übt tagelang allein eine besonders schwierige Passage - dann gelingt es ihr!
Ist der Sprung (die Figur oder was auch immer) wohl für sie weniger wertvoll,
weil's keiner gesehen hat? Ich wette, sie ist in diesem Moment einfach nur überglücklich.
Dieses Glück kenne ich auch. Eine Blume wird nicht hässlicher, weil sie im Verborgenen blüht.
Kunst kann somit auch Teil von etwas Größerem werden, der Weg des Künstlers, der als solcher ja schon beängstigend, übermächtig und dramatisch erscheinen kann, ist vielleicht "nur" ein kleiner Pfad auf dem Weg der eigenen Herzensbildung.

Die Sache mit der Isolation hat meiner Meinung nach auch mehr mit dem unbequemen Gefühl zu tun, das damit einhergeht, mal nicht auf Anhieb verstanden, geliebt oder unterstützt zu werden - auch das erleben sowohl erfolgreiche wie weniger erfolgreiche, künstlerisch aktive oder "andere" Menschen.

Ich selbst begreife mein künstlerisches Schaffen ähnlich wie creativa:
Vor allem als Kommunikation.
Es ist Teil meiner Vision, die ich vom Leben habe.
Und allein schon, dass ich inzwischen begriffen habe, wie wichtig es mir ist, diese zu leben, macht mich glücklich und macht für mich den Wert von Kunst aus.

Zum anderen ist Kunst für mich auch eine spirituelle Erfahrung.

Es bedeutet mir ein wertvolles In-Beziehung-sein oder einfach Sich-begegnen,
so wie wir hier im Forum.

Danke für deine Anregung, darüber nachzudenken und einen guten Abend/ Nacht!

blue ivy

Hallo blue ivy,

erst einmal: schön , dass Du bei uns bist.

Dein post hat mich dazu gebracht, über meine Ungenauigkeit des Begriffes Isolation nachzudenken.
"Fehlende Wertschätzung durch andere" passt besser.
Und da sind wir dann sofort beim Stichwort: "nicht geliebt werden" Fürwahr nicht nur das Problem eines(r) Künstlers(in), sondern eines jeden in fast jeder Situation.
Um dieses Stichwort geht es im "persönlichen" Teil des Forums in allererster Linie.

Für sich alleine arbeiten zu können ist ja eines der großen Privilegien eines(r) Künstler(in). Kaum jemand würde bei seinen Übungen gerne unter Dauerbeobachtung stehen.
Die Tänzerin, die eine schwierige Passage alleine für sich tanzt, wird sich freuen. Hier hängt ja Kunst in erster Linie mit "Können" zusammen. Zuschauer sind hier so etwas wie Zeugen.

Die fehlende Kommunikation (wohl gemerkt mit anderen, nicht mit mir selbst) , das fehlende feedback war der Punkt, den ich ansprechen wollte.

Zitat

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Zum anderen ist Kunst für mich auch eine spirituelle Erfahrung.

Es bedeutet mir ein wertvolles In-Beziehung-sein oder einfach Sich-begegnen,
so wie wir hier im Forum.

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Ich denke, wir schreiben hier im Forum (in erster Linie im geschlossenen Teil) zu 90% über genau diesen Aspekt der künstlerischen Betätigung.

LG
G